Lehrer sein

"Die wenigsten Menschen machen sich Gedanken darüber, was es heißt, Lehrer zu sein. Hinsichtlich der Belastungen spielen hierbei sicherlich auch die Schulform und das Einzugsgebiet der jeweiligen Schule eine wesentliche Rolle.

Grundsätzlich soll der Lehrer Bildung nach einem ihm vorgeschriebenen Plan (Curriculum) vermitteln. Selbiger ist aber übervoll und das Zeitmanagement für die jeweiligen Themen ist viel zu eng vorgeschrieben. Man gewinnt den Eindruck, dass es den Ministerien und Bezirksregierung – auch auf dem Gymnasium – nicht darum geht, die Schüler in den jeweiligen Themen tatsächlich zu bilden und ihr Wissen/Können genügend anwenden zu lassen. Nein, es geht darum möglichst viele Themen schnell zu unterrichten, ohne das genügend Zeit bleibt, diese Lehrstoffinhalte auch wirklich durchdringend mit den Schülern üben zu können. Kein Wunder, dass im nächsten Schuljahr so manche Schüler mit den zuvor vermittelten Grundlagen für das nun darauf aufbauende  Thema ihre Schwierigkeiten haben.

Ferner soll der Lehrer die Schüler in ihrer individuellen Entwicklung bestmöglich fördern (was immer das auch heißt und wer auch immer das definiert hat), während die Klassengrößen diese Förderqualität gar nicht zulassen. Diese INDIVIDUELLE Förderung wird daher von den Politikern und Ministerien wie auch Bezirksregierungen nur herbeigeredet, nicht aber tatsächlich und allumfassend erzielt. Und wenn alle Stricke reißen, dann werden die Noten eben angehoben, um zu simulieren, dass der Bildungsstandard erreicht wurde. Nicht zuletzt gilt es ja auch, dass alle Schüler ihren angestrebten Schulabschluss auch erreichen. Grundsätzlich ist dagegen auch nichts einzuwenden, aber wenn dem so sein soll, dann muss man die Eingangsvoraussetzungen zu den weiterführenden Schulen mal genau „unter die Lupe nehmen“.

Werden die Noten beschönigt, haben damit all jene Lehrer ihr Problem, die die Noten nach Leistungen vergeben (wollen). Beispiel: War zuvor ein Fachlehrer in der Klasse, der es mit der Leistungsnotenvergabe nicht so ernst nahm - was so manche Eltern sehr begrüßen und für völlig selbstverständlich halten - und kommt anschließend ein neuer Fachlehrer in die Klasse, der das ein klein wenig anders sieht, sodass sich die Noten nach „unten“ bewegen, hat genau dieser Lehrer nun ein ganz großes Problem. Ihm wird nämlich vorgehalten, einen didaktisch, methodisch, pädagogisch und inhaltlich schlechten Unterricht zu erteilen, denn wie sonst wäre dieser Notenabfall zu erklären? D.h., mit der Vorgabe der Ministerien und letztendlich der Bezirksregierungen, dass alle Schüler „durchkommen“ müssen (zumindest ist das so in NRW), hat man dafür gesorgt, dass das Leistungs- und Bildungsniveau sinkt. Gleichzeitig regt man sich darüber aber auf. Wie ABSURD!

Ferner muss der Lehrer die fehlenden oder mangelnden Erziehungsaufgaben der Eltern auffangen und ausgleichen. D.h., er muss die selbstverständlichen Werte, Normen und Verhaltensregeln der hiesigen Gesellschaft vermitteln / einüben, Streitigkeiten unter Schülern klären bzw. ihnen beibringen, wie man diese sozialverträglich hätte regeln können, die Schüler stets motivieren und im Unterricht bei Laune halten, pädagogische Hilfestellungen den Schülern und Eltern anbieten, mit Verhaltensstörungen bei den Schülern professionell umgehen, was er gar nicht gelernt hat, eine gesundheitsschädigende Lautstärke (vor allem in Pausensituationen) ertragen usw. Und wenn der Lehrer all das nicht stets und zur vollsten Zufriedenheit der Eltern macht, drohen heute viele von ihnen schnell mit Beschwerden bei der Schulleitung oder „rennen“ gleich zu ihr, ohne dem Lehrer eine Gesprächsmöglichkeit gegeben zu haben.  Manche drohen gar mit der übergeordneten Schulbehörden und dem Rechtsanwalt. Nicht zufriedenstellende Leistungen des eigenen Kindes werden von so manchen Eltern voll in die Verantwortung der Lehrer gelegt, ganz unabhängig davon, wieweit hier das Elternhaus die Lehrer und vor allem das eigene Kind positiv unterstützten könnten. Nicht selten fehlen zu Hause die Voraussetzungen für gute Schulnoten (ruhige Arbeitsatmosphäre, Interesse an den schulischen Leistungen, motivierender Zuspruch, …). Der Lehrer wird nicht als Teamplayer gesehen, sondern als derjenige, mit dem man ja eh nicht reden kann, der einem das Wort im Mund umdreht, sich selber nur herausreden will. Die Eltern sind hingegen diejenigen, die in der Erziehung und Begleitung ihrer Kinder keinerlei Fehler gemacht haben und die die jeweilige schulische Situation ja viel besser gehandhabt hätten, als der Lehrer.

Die Schulleitung ist vornehmlich darauf bedacht, Schüler und Eltern zufrieden zu stellen, denn es geht ihr ausnahmslos um den „Ruf der Schule“ und damit um die Schüleranmeldungen. Von selbigen hängen nämlich die Lehrerstellen im nächsten Schuljahr sowie der Schuletat u.v.a.m. ab.

Und all diese Anliegen und Ziele sind völlig unabhängig davon, ob die Mitarbeiter (Lehrer) sich gerecht und fair von der Schulleitung, den Eltern und Schülern behandelt fühlen. Da wird dann schnell mal ein Lehrer von der Schulleitung (auch vor versammelter Mannschaft) "klein" gemacht, soll aber gleich in der nächsten Unterrichtsstunde oder am nächsten Tag hochmotiviert seinen Beruf ausüben.  Ja, ja, die Machtpositionen haben so ihre Tücken. Als Schulleitung in der  Leitung der Mitarbeiter selber nicht besser zu sein, aber dennoch diese (lautstark) zu kritisieren, ist völlig normal und scheinbar auch zulässig. Warum? Selbst bei der jeweils höheren Schulbehörde finden Lehrer/innen kaum bis kein Verständnis für ihr Handeln/ihre Entscheidungen. D.h., Schulleitungen registrieren oft genug nicht, dass und wann sie sich mit ihrer Kritik an einzelnen Mitarbeitern selber in der von ihnen so vehement vertretenen und eingeforderten pädagogischen Handlungsart und -weise ad absurdum führen.  Sie bemerken gar nicht ihr sich gerade eben selbst zugefügtes K.O. Na, das nennt man doch mal die „bessere“ Leitungsqualität. KEIN Wunder, dass die Bildung bereits schon GEGEN die Wand gefahren ist. KEIN Wunder, dass sich Universitäten über die mangelnde Studienfähigkeit der Studenten aufregen. KEIN Wunder, dass auch in den Ausbildungsberufen der mangelnde Bildungsstand beklagt wird. Das alles sind die Lehrer schuld? Wohl kaum!

Konferenzbelastungen und Unterrichtsvorbereitungen, Korrekturen aller Art, Klassenfahrten, Wandertage, Exkursionen, Projekttage, die Begleitung von Schülerpraktika u.v.a.m. kommen zu den Aufgaben des Lehrers hinzu.

Und nicht zu unterschätzen ist die Konkurrenz im eigenen Kollegium. Da wird gemobbt, was das Zeug hält. Hinter dem Rücken wird getuschelt, man schwärzt sich gegenseitig bei der Schulleitung an, tut so, als sei man der beste "Freund", ist es aber nicht. Da soll man meinen, man hätte es mit pubertierenden Jugendlichen zu tun, nicht aber mit studierten Menschen, die es gelernt haben sollten, Schwierigkeiten diskursiv, konstruktiv und positiv für alle Beteiligten zu lösen. Und all die Lehrer, die mit ihren Kollegen derartig umgehen, sind meist auch noch die größten „Schreihälse und pädagogischen Wichtigtuer“; sie sehen sich als unentbehrlich für die „hervorragende“ Bildungsqualität der Schule an und halten sich für die erfahrensten Pädagogen, die auch noch zu alle dem eh den besten Unterricht erteilen. Ohne sie würde ja gar nichts richtig laufen – zumindest sind sie davon überzeugt. Solche Kollegen lässt man tunlichst reden, denkt sich seinen Teil und geht ihnen so weit wie möglich aus dem Weg.“